Transformation ab 1945: Die Deutsche Teilung

Die beiden Städte Sonneberg und Neustadt bei Coburg verfügen über beidseitige Kenntnisse der Transformationsereignisse nach der Deutschen bzw. Europäischen Teilung und der Deutschen und Europäischen Wiedervereinigung. Die gemeinsame Wirtschafts-, Kultur-, Natur-, Bildungs- und Verkehrslandschaft wurde ab 1945 bis zur deutschen Wiedervereinigung jäh getrennt und unterschiedlichen Wirtschaftssystemen angegliedert. Familiäre Bindungen, wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen wurden gekappt, der gemeinsame Sprachraum durchtrennt. Sogar Dörfer in der Umgebung, die zu nah am Grenzstreifen lagen, wurden „geschliffen“ und deren Bevölkerung zur Flucht gedrängt und vertrieben.

In keiner der anderen Bewerberstädte kann man diese beidseitige Transformation der Wirtschaft, der Bildung, der Kultur und des Lebensraumes so gut erleben und nachvollziehen wie in Sonneberg und Neustadt bei Coburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden beide Städte in unmittelbarer Nachbarschaft zwei unterschiedlichen Wirtschaftssystemen (Plan- und Marktwirtschaft) angegliedert, die für die nächsten 45 Jahre ausschlaggebend für die Transformationsprozesse der Zukunft werden sollten.


Die Auswirkungen des Mauerbaus

In Sonneberg wurde die Planwirtschaft mit Enteignung und Verstaatlichung von Betrieben vollzogen. Eine Währungsreform wurde durchgeführt, alte Absatzgebiete verschwanden und neue Absatzgebiete (RGW) wurden aufgebaut. In der Folge kam es zu Flucht von Knowhow und Kapital des Sonneberger Unternehmertums, zur Abwanderung von Einwohnern aus dem Sperrgebiet sowie letztlich zu fehlenden Investitionen in die Infrastruktur. Die Verbindung zu wichtigen Verkehrsknoten-Punkten, zu kooperierenden Industrieanlagen und wissenschaftlichen Einrichtungen wurde ab 1945, und insbesondere mit dem Mauerbau 1961, systematisch gekappt. Einige der Firmen, die damals abwanderten, entwickelten sich in der BRD zu Weltmarktführern und Hidden Champions, z. B. die Firmengeschichte der Dorst Technologies GmbH & Co. KG in Kochel am See. Durch die Zonen-Randlage in der ehemaligen DDR und die Einordnung als „Sperrgebiet“ bis 1972 blieben wichtige Investitionen dauerhaft aus, zumal der Staat zu umfangreichen Reparationsleistungen und Demontageauflagen von Wissenschafts- und Industrieanlagen an die Sowjetunion verpflichtet war.

Transformation ab 1990: Die Deutsche Wiedervereinigung

Mit der Deutschen Wiedervereinigung änderte sich die Wirtschaftsstruktur in Sonneberg radikal. Dies führte ab 1990 exemplarisch zu massiven negativen Auswirkungen (Transformation in Ostdeutschland und Osteuropa). Die Umwandlung von der Plan- zur Marktwirtschaft, die Währungsreform, die Schließung von volkseigenen Betrieben der Spielzeugindustie, des Maschinenbaus, der Elektrotechniksparten, der Bekleidungsbranche (bspw. Sonni, Thuringia, Sternradio, Herko) bzw. die Rücküberführung an Alteigentümer, nie gekannte Massenarbeitslosigkeit mit folgender Abwanderung, Überalterung und Geburtenrückgang hinterließen tiefe Einschnitte. Seit 1990 wurden überdies mehrere staatliche Institutionen in Sonneberg geschlossen bzw. stark verkleinert (u. a. Zollamt, Katasteramt, Schulen, Forschungssternwarte). Der „Aufbau Ost“ kam infolge schwerwiegender infrastruktureller Defizite nicht in dem Tempo voran, wie das wünschenswert gewesen wäre.

Die neu etablierten Betriebe sind zumeist als verlängerte Werkbänke aus Staatseigentum entstanden. Klein- und Mittelständische Unternehmen gründeten sich als Zulieferer und Handwerker oder Dienstleister neu. Im Gegensatz zu den alteingesessenen bundesdeutschen Unternehmen fehlten diesen neuen Unternehmen jedoch Kapital, FuE-Vorhaben sowie Absatzkontakte. Dies wurde besonders deutlich in der Finanzkrise 2008/09, der Corona-Krise und der aktuellen Ukraine-Krise. Seit 2018 hat Sonneberg 10,4 Prozent seiner Arbeitsplätze verloren. Von der aktuellen Schließung betroffen sind mehrere traditionelle Unternehmen, denen nach 1990 ein Übergang von der Plan- in die Marktwirtschaft gelang. Prominente Beispiele sind die Elektrokeramik Sonneberg (EKS), die Ende 2022 die Werkstore schließen wird und auch die Elektroinstallation Sonneberg (EIO), die bereits 2020 aufgeben musste. Schmerzliche, wirtschaftliche Einschnitte nach der Wiedervereinigung hat auch die Nachbarstadt Neustadt bei Coburg als Kooperationspartner verkraften müssen. Hier schlossen zahlreiche Spielzeugfirmen und manche Branchengrößen wie Siemens mit seiner Glasfaserproduktion.

Die aktuelle Transformations-Situation

Durch die rezente Transformation der Wirtschaft im Bereich Energie, Handel und Antriebstechnologien wird der Standort Sonneberg in den nächsten Jahren eine weitere Transformation der Wirtschaft- und Bevölkerungsstruktur erfahren. In der aktuellen – durch besondere Herausforderungen gekennzeichneten – Zeit spielen Stabilität, Sicherheit und Resilienz eine entscheidende Rolle. Das Zukunftszentrum kann hierbei ein bedeutender Baustein in Sonneberg und für die Region (ländlicher Raum) sein, um die Transformation zu begleiten bzw. den Experimentierraum des Zukunftszentrums als Beispiel der regionalen Entwicklung und die Auswirkungen einer großen Bundeseinrichtung zu untersuchen. Im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit“ steht auf Seite 28 das Auswahlkriterium für den Standort des Zukunftszentrums: „Für die Kommune besteht ein besonderer struktur- und regionalwirtschaftlicher Bedarf, d.h.: Das Zentrum soll auch mitwirken, die künftige Entwicklung der Kommune zu fördern – auch im Sinne eines Beitrags zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse.“ In diesem Zusammenhang ist auf die GRW-Förderlandschaft (C-Fördergebiet in Sonneberg), den Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie („Wirtschaftliche Bedeutung regionaler Automobilnetzwerke in Deutschland“), den Wegfall von mehr als 1.000 Arbeitsplätzen seit 2018 sowie der Schließung von Traditions-Unternehmen in Sonneberg hingewiesen. Somit ist Sonneberg einziger prädestinierter Bewerberstandort!


Wie kann man Transformation gestalten?

Die beiden Städte Sonneberg und Neustadt bei Coburg liegen in zwei unterschiedlichen INTERREG-Regionen in Europa. Aufgrunddessen reicht der Wirkungskreis bei möglichen Kooperationen bis in den mittel- und osteuropäischen Raum. Die verbindende Achse zwischen westlicher und östlicher Lebenswelt bildet der EuroVelo 13 mit dem ICT. Er fungiert als eine Art Reißverschluss zwischen dem ehemaligen Ostblock und dem freien Westen. Denkbar wären Workshops, Schüleraustausch-Programm, Partnerschaften, die Auslobung von Wettbewerben etc.